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2. Februar 2009

Kein Denkverbot beim Religionsunterricht!

Auf meine Kritik am derzeitigen Zustand des Religionsunterrichts habe ich in den letzten Tagen eine Vielzahl von Mails bekommen - von Religionslehrern und Vertretern der (katholischen) Standesvertretung.
Von "Verwunderung" und "Enttäuschung" war da zu lesen. Und es wurde widerlegt, was nie behauptet wurde: Der katholische Religionsunterricht sei "demokratiegefährdend". Ist er nicht! Diskutieren wir aber doch darüber, worüber geredet werden muss: eine Neuorganisation des Religionsunterrichts (ohne existenzielle Gefährdung der jetzigen ReligionslehrerInnen!).
Ich habe bislang ja nur Stellung bezogen gegen Tendenzen im islamischen Religionsuntericht. Da geht es um die Ablehnung der Menschenrechte und der Demokratie - und das hat an einer Schule nichts verloren.
Darüber hinaus habe ich mir erlaubt, die jetzige Regelung des RU, die im Prinzip auf das Konkordat mit der katholischen Kirche aus dem Jahr 1933 zurückgeht und im Religionsunterrichtsgesetzt aus dem Jahr 1949 sowie in einem Vertrag aus dem Jahr 1962 inzwischen erneuert wurde, in Frage zu stellen. Die Zeiten ändern sich: Wir brauchen heute eine generelle Diskussion über die Inhalte des konfessionellen Religionsunterrichts und die dienstrechtliche Stellung der Lehrpersonen. Das fordert ja auch der Religionsrechtler Richard Potz von der Universität Wien: Er möchte einen rechtlichen Mechanismus, der dem Ministerium die Möglichkeit gibt, einzelne problematische LehrerInnen zu sanktionieren.
An die StandesvertreterInnen: Gerade um die wichtige Arbeit der ReligionslehrerInnen zu schützen (!) und ihre Position zu stärken, ist es notwendig, Standards durchzusetzen. Eine Diskussion darüber, ob ein verpflichtender Ethikunterricht statt eines konfessionellen Religionsunterrichts eingeführt werden soll, muss aus meiner Sicht ebenfalls geführt werden. Die Entwicklungen der katholischen Kirche in den letzten Jahren und speziell die letzten Signale des Papstes sind eine interne Angelegenheit der Kirche: Eine Organisation aber, die - wie sie - Fundamentalisten vom Schlage eines Gerhard Maria Wagner (der als frauenfeindlich gilt und in Harry Potter ein Werkzeug des Satans sieht) zum Weihbischof ernennt oder Holocaust-Leugner rehabilitiert und sektenähnliche Organisationen wie die Pius-Bruderschaft ("Gaskammern dienten nur der Desinfektion") stärkt etc. etc., darf sich nicht wundern, wenn inzwischen auch Kommentatoren wie der nicht unbedingt als "Linker" oder heißsporniger "Pfaffenfresser" verschrieene Chefredakteur der "Presse" auf Distanz gehen: "Ab in den Gulag!"
Von solchen Entwicklungen wie den oben geschilderten möchte ich Kinder zumindest in (!) unseren Schulen geschützt wissen. Diskutieren wir doch das Pro und Contra des Religionsunterrichts bzw. eines verpflichtenden Ethik- und eines freiwilligen Religionsunterrichts ohne Scheuklappen, ohne Diffamierungen, aber auch ohne Tabus!

Trackback URL:
https://haraldwalser.twoday.net/stories/5487526/modTrackback

Kommentare
Kurt Greussing (Gast) - 2. Feb, 13:21

Schon längst fällig in der globalisierten Welt:

Religionenunterricht - wobei die (ehemaligen) Großreligionen Bolschewismus und Faschismus gleich mitbehandelt werden können.

Warum? Weil ich es zum Beispiel höchst bedauerlich finde, dass Kinder und junge Leute heute unsere Kulturlandschaft nicht mehr "lesen" können (z.B. die Kreuzwegstationen von Wolfurt nach Bildstein nicht verstehen), aber auch von der Glaubens- und Lebenspraxis ihrer sunnitisch-muslimischen oder alevitisch-muslimischen Nachbarn absolut keine Ahnung haben.

Also: weg mit dem konfessionellen Religionsunterricht (und ab damit ins Freizeitangebot der diversen Kirchen und Moscheen) und her mit einem fundierten Religionen- und Weltanschauungen-Unterricht, der unseren multikuturell und multiideologisch gewordenen Lebenserfahrungen angemessen ist.

Doch oje: Da müssten etliche Lehrkräfte kräftig nach- und umlernen. Also bleibt erst einmal alles, wie es ist.

Gerhard Huber (Gast) - 14. Feb, 08:12

Danke Herr Starchl

Ich möchte Herrn Starchl von Herzen danken für seine Stellungnahme, da ich mir manchmal denke, wie soll man als Religionslehrer derzeit bei so viel Polemik agieren - "Goschn haltn -und auf die Abschaffung warten" oder auf jede öffentliche Äusserung sofort antworten oder wie?
Ich denke, dass der öffentliche Religionsunterricht immer noch die beste Möglichkeit darstellt, auch einen Diskurs über verschiedene Grundwerte zu führen. Diese Diskussion ist in einem demokratischen Staat eminent wichtig - wie auch die Frage der Gestaltung dieser Diskussion. Mag ja sein, dass der Junker vom grünen Hasenorden keinen - für ihn - geeigneten "Sparringpartner" in Sachen Religion und Kirche gefunden hat, aber die Tatsache, dass er/sie sich nur anonym und ein bisschen schadenfroh meldet, spricht auch nicht gerade für das Suchen einer ernsthaften Debatte!
mfg
Gerhard Huber
harald.walser - 14. Feb, 10:03

Lieber Gerhard Huber,

die Bedeutung des RU sehen wir gleich: In der Schule braucht es Auseinandersetzung um Grundwerte und um unsere Fundamente (die sind zumindest auch religiös). Für den Großteil der ReligionslehrerInnen bedeutet ein Ethik-Unterricht keine wesentliche Veränderung - sie machen das sowieso. Diejenigen, die es nicht machen, müssten umlernen. Und das sieht wohl die Mehrheit der Menschen in unserem Land (und speziell die ReligionslehrerInnen, die unter diesen KollegInnen leiden) positiv.
heinz starchl (Gast) - 2. Feb, 14:51

Ich halt noch immer nichts davon

1. In den Mittelschuloberstufen besteht bereits die Wahlmöglichkeit, wobei für Nichtreligiöse die Verpflichtung zum Ethikunterricht besteht. Welche Ethik ist da wie legitimiert? Eine staatliche?

2. Den Religionsunterricht in den Freizeitbereich zu verbannen öffnet erst recht unkontrollierbaren (nämlich durch Öffentlichkeit konrtollierbaren) Fundmentalismus. Ein Blick in die Vorarlberger Freichristenszene würde da eine Anhäufung von christlich verbrämter Esoterik, Handauflegen und Wunderkuren an den Tag bringen, die nicht nur die politische Gesundheit gefähreden.

3. Dürfen sich die Religionslehrer aller Richtungen fragen, warum sie und ihr Unterricht häufig wenig Interesse finden. Von einezlnen! Ausnahmen habe ich auch schon gehört.

4. Die beste Ethikschule ist die Gesellschaft. Wenn politische Verhältnisse unethisch organisiert sind, wie sollte da ein Lehrer glaubhaft Ethik unterrichten können? Und Ethik ist in einer Schule am allerschlechtesten aufgehoben, die Chancen und Noten nach Status und Einkommen verteilt. Diese Ethik haben die oben und die unten rasch internalisiert!

Kurt Greussing (Gast) - 2. Feb, 20:16

Verstaatlichte Ethik?

D'accord - der Staat hat nicht festzulegen, was "Ethik" ist. Sondern es muss ein solider Unterricht zu den vielfältigen ETHIKEN und ihren ideologischen Systematisierungen her, die wir im Laufe der Geschichte und heute (global) vorfinden. Der Begriff des "Ethik"-Unterrichts ist ja noch viel zu sehr an den des "Religions"-Unterrichts gebunden - so, als ob es die eine "richtige" Ethik ebenso gäbe wie die eine richtige Religion.

Nicht d'accord zur Frage des staatlich geförderten - folglich staatlich zu kontrollierenden - Religionsunterrichts. Die Trennung von Kirche und Staat ist in der Tat - wie von Dir richtig bemerkt - keine Einbahnstraße. Wenn man diese Trennung also ernst nimmt, dann hat der Staat auch nicht für den Religionsunterricht zu sorgen - auch um den Preis, dass er dann den Religionsunterricht eben nicht kontrollieren kann.

Es muss dann andere Mittel der Kontrolle geben - zum Beispiel durch bürgergesellschaftliches Engagement in den Glaubensgemeinschaften selber. Die gegenwärtige Debatte um islamische Fundi-Lehrer und katholische Rückkehrer in den christlichen Totalitarismus des 19. Jahrhunderts zeigt übrigens gut, wie das gehen kann: Die wichtigsten, da aufgrund ihrer empirischen Kenntnis kompetentesten Kritiker solcher Tendenzen kommen aus den jeweiligen Glaubensgemeinschaften selbst.
heinz starchl (Gast) - 4. Feb, 09:49

Ich denke ich bin da missverstanden,

denn ich halte einen (staatlich geduldeten/finanzierten) Religionsunterricht an den Schulen eben genau in dem sinne für zivilgesellschaftlich kontrollierbar, weil er zumindest teilöffentlich stattfindet und nicht in sich religiös gebenden Esoterikkreisen.

PS: War von den Diskutanten noch nie jemand auf der Gloriamesse? Wäre sehr erhellend zu sehen, was da unter offiziellem Schutz und Segen alles "gelehrt" und "vermarktet" wird.
Kelborn (Gast) - 3. Feb, 09:26

kein Wort zu den Vorgängen um Voggenhuber? Was ist los in Vbg? Ist das allen egal?

Ich, Wähler, wünsche über die Position der Grünen in dieser Frage informiert zu werden....

Kurt Greussing (Gast) - 3. Feb, 09:37

Na ja, ein bisschen was gibt's schon ...

... aber nicht berauschend viel:

http://rauch.twoday.net/stories/5483357/#comments
http://mariolechner.twoday.net/stories/5485186/#comments

Genauso dringend wie eine Debatte zu/um/für/gegen Voggenhuber wünsche ich mir allerdings eine Debatte zu den INHALTEN grüner Europa-Politik - und darüber, wie die Grünen die europapolitische Auseinandersetzung endlich zu einem Teil der innenpolitischen Auseinandersetzung hier in Österreich machen wollen.
KG (Gast) - 3. Feb, 10:51

... sowie hier:

harald.walser - 3. Feb, 13:35

Ich glaube nicht, dass wir Grünen ...

zum Gaudium der Medien uns nur noch mit Internas beschäftigen sollten: Wir sind angetreten, um Österreich zu verändern und sollten uns darauf konzentrieren.
Aber ich kann meine Stellungnahme gerne noch einmal wiederholen: Ja, die Nichtberücksichtigung von Voggenhuber war ein Fehler. Nein, die grüne Welt geht deswegen nicht unter. Wir müssen darauf achten, künftig stärker die politischen Inhalte und nicht persönliche Animositäten in den Vordergrund zu stellen.
heinz starchl (Gast) - 4. Feb, 09:41

Voppenhuberei

Da findet sich ein Kandidat unwiderstehlich und sagt, dass er nur auf dem ersten Platz kandidiere. Dann nehmen die in den Gremien verantwortlichen diese Ankündigung ernst und geben ihm nicht den ersten Platz. Jetzt könnte er sich aufs Altenteil zurückziehen, doch flugs fällt ihm ein, man könnte doch. Es war ein Fehler.

Fehler sind auch Politikern erlaubt. Aber sie sind es es nicht nur , die ständig anderen Fehler vorhalten sondern schlüssig muss auch ihre Politik Fehler haben. Wenn ein langjähriger Politiker und Mitglied der Parteigremien erst nach der Abstimmung mitbekommt, wie es richtig gewesen wäre, dann muss man sich schon fragen, ob er immer erst nach einer Abstimmung die Erleuchtung hatte?

Ich weine Voppenhuber keine Träne nach und es ist scheinheilig da eine Doppelstrategie zu fahren um ein vermeintliches Mehr an Stimmen dadurch zu gerieren. Im Übrigen ist das Voppenhubersche Modell der Wählerdemokratie direkt vom FP-Mölzer abgepaust.

Ich halte die öffentliche Diskussion darüber auch nicht für die Grünen schädlich. Parteisekretäre sehen das naturgemäß anders, aber mit Friedhofsruhe kann man weder Wähler noch Wahlen gewinnen, wofür es mehr Beispiele gibt als im ungekehrten Falle.
Markus Petter (Gast) - 3. Feb, 14:23

Schütten wir doch das Kind nicht mit dem Bade aus!

Mit der polemischen Forderung nach der Abschaffung des Religionsunterrichts schütten sie das Kind mit dem Bade aus. Es wird doch niemand ernsthaft die Abschaffung des Parteiensystems bzw. ein Einparteiensystem fordern, nur weil sich eine Partei oder Angehörige einer politischen Gruppierung negativ mit demokratiefeindlichen Aussagen bemerkbar machen. Wie die aktuelle hetzerische Kampagne der AKS (Goschn halten ...) zeigt, nutzen gewisse Kreise die jetzige Diskussion gezielt um gegen alles Kirchliche mobil zu machen. In äußerst tendenziöser Weise wird hierbei bewusst übersehen, dass es sich beim aktuellen Anlassfall ausschließlich um ein Problem der Islamischen Glaubensgemeinschaft handelt, welcher gewissen politischen Randgruppen als willkommener Anlass dient andere Konfessionen mit fadenscheinigen Begründungen in Geiselhaft zu nehmen!

Eine weitaus vernünftigere u. praktikablere Lösung wäre - neben dem Religionsunterricht - doch die Einführung eines begleitenden bzw. ergänzenden Ethikunterrichts, womit auch ein größtmöglicher Konsens erreicht werden könnte.

Junker des Grünen-Hasenordens (Gast) - 3. Feb, 19:01

Guter Ansatz...

...aber doch nicht das Allheilmittel; Ethikunterricht ist genau so gut wie der Lehrer oder Pädagoge oder was auch immer ihn unterrichtet. Ausserdem sollten dann schon alle Schüler daran teilhaben, wobei die Unterstufen zusammen unterrichtet werden sollten. Kinder in diesem Alter entwickeln nämlich ein erstes Gemeinschaftsgefühl und das zusammenleben/arbeiten in einer großen Gruppe was wichtig für die spätere Entwicklung ist.

Ansonsten finde ich Religionsunterricht überbewertet. Es macht niemanden zu einem besseren oder schlechteren Menschen wenn er nicht an ein Überding glauben muss, dass anscheinend Regeln vorgibt.

In meiner Jugend waren die meisten Religionslehrer sowieso überfordert mit meinen Fragen zu ethischen Themen im Religionsunterricht, was mich erst dadurch "ungläubig" werden ließ weil ich nur ausweichende Antworten bekam oder vorgefertigte von einem höheren Würdenträger. Es ging soweit das ein Religionslehrer einen anderen (einen Pfarrer) vor mir warnte keine Diskussion mit mir einzugehen, was in meinen Augen einfach lächerlich war.

also nichts mit "Deus Vult"


Hahahahaha

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