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1. Februar 2009

Religionsunterricht - und die Rolle des Staates!

Einige UserInnen haben gemeint, die Forderung nach staatlicher Kontrolle für den Religionsunterricht gehe zu weit, weil dadurch die Religionsfreiheit eingeschränkt werde. Das kann man so sehen. Ich sehe es anders.
Das "profil" von nächster Woche berichtet unter dem Titel "Hohe Funktionen für Fundamentalisten" über ein Schulbuch für den islamischen Religionsunterricht, in dem ausgerechnet Anas Schakfeh, der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, für einen Text und ein Bild verantwortlich zeichnet, in welchen religiöse "Märtyrer" heroisiert werden. Lesestoff für österreichische Kinder?
In den letzten Tagen hat Schakfeh - im Nebenjob Konsulent der saudi-arabischen Botschaft - Grundwerte wie die "absolute Loyalität gegenüber dem Staat, der Rechtsstaatlichkeit, der Demokratie und der Bundesverfassung" eingefordert. "profil" zeigt diese Seite aus einem offiziellen Schulbuch für den islamischen Religionsunterricht für Volksschulen, auf der ein auf einem Schlachtfeld sterbender "Märtyrer" zu sehen ist. Zu lesen ist: "Ein Muslim, der auf dem Weg Allahs und zur Verteidigung der Heimat stirbt, ist ein Märtyrer (Sahid). Er wird von Allah mit dem Paradies belohnt, wie Allah es im Koran versprochen hat." Gerechtfertigt wird das von Schakfeh jetzt damit, es handle sich um die Geschichte der Belagerung Medinas. Die war im Jahr 627. Das Bild aber zeigt einen Soldaten mit Gewehr und Handgranaten! Kommentar wohl überflüssig.
Übrigens: Ich möchte auch nicht, dass katholische Geistliche aus der in Österreich sehr erfolgreichen Pius-Bruderschaft auf unsere Kinder losgelassen werden. Oder Holocaust-Leugner! Ich möchte auch nicht, dass Menschen wie der Ende letzter Woche vom Papst zum Weihbischof ernannte Gerhard Maria Wagner das Sagen über die Benennung von ReligionsleherInnen haben. Der erzkonservativ Kirchenmann hält die "Harry Potter"-Romane für Teufelszeug. Wirbelsturmdramen wie jenes in New Orleans und andere Umweltkatastrophen bezeichnet er in zynischer Art als Folge der "geistigen Umweltverschmutzung".
Wenn solche Leute in einer Organisation wie der Kirche aufsteigen und an zentrale Machtpositionen gelangen, ist das prinzipiell die Angelegeneit der Kirche und ihrer Mitglieder und nicht die Angelegenheit des Staates. Wenn Leute wie Wagner oder Schakfeh aber entscheidenden Einfluss darauf haben, was unseren Kindern in den vom Staat bezahlten Schulen von den vom Staat bezahlten ReligionsleherInnen beigebracht wird, dann - bitte - hat der Staat zu handeln!

Trackback URL:
https://haraldwalser.twoday.net/stories/5484735/modTrackback

Kommentare
Alimentarius (Gast) - 1. Feb, 08:40

Da gebe ich Ihnen in allen Punkten Recht, Herr Dr. Walser

Religionsunterricht dürfte in einer pluralistischen Gesellschaft nicht vom Staat finanziert werden. Sollten unsere demokratischen Kräfte nicht in der Lage sein, endlich eine vollkommene Trennung von Religionsgemeinschaften und Staat herbei zu führen, dann stimmt was nicht mit unserer demokratischen Ordnung. (Gesetzeslage)

Plumps! (Gast) - 1. Feb, 11:12

Ich gebe Ihnen absolut recht.

Sarkastisch möchte ich aber hinzufügen, dass es die Äquidistanz eigentlich vorschreibt, beim nächsten bösen Fall in der katholischen Kirche zur Kritik auch noch irgendeine Kritik am Islam hinzuzufügen, obs passt oder nicht. Wäre so zwar ein Novum, ist aber offensichtlich andersrum notwendig.

Und ohne Sarkasmus bin ich im übrigen der Meinung, dass man die Häufigkeit einer Ansicht in einer Gruppe durchaus berücksichtigen darf. Der Anteil der Anhänger der Pius-Brüderschaft an den Religionslehrern wird wohl etwa so groß sein, wie der Anteil der Anhänger von Tierschutzterroristen an den Grünen: Es gibt sie, aber sind zu vernachlässigen.
Bei den islamischen Religionslehrern ist es offensichtlich anders.
Eine solche Gleichstellung ist in Wahrheit eine bewusste Verharmlosung. Mag sein, dass ein solcher Kniefall vor der politisch korrekten Realitätsverweigerung parteiintern notwendig ist. Aber seltsam ist er schon...

wome (Gast) - 1. Feb, 12:15

Grüne Forderung

Warum sieht eigentlich die Grüne Forderung in diesem Themenbereich nicht so aus: Ethikunterricht in den Schulen für Alle, verpflichtend, und von staatlich bezahlten und universitär ausgebildeten Lehrer/innen durchgeführt. Wer sein Kind dorthin nicht schicken will, kann es ab- und zum Religionsunterricht anmelden. Dieser wird ebenfalls von universitär und von den Religionsgemeinschaften bezahlten Lehrer/innen gegeben. Wo die Religionsgemeinschaft nicht über ausreichende Mittel verfügt, kann Sie, vorausgesetzt, sie bekennt sich zu den Grundwerten, um staatliche Unterstützung ansuchen. Nicht viel anderes hat Christian Rainer in seinem Kommentar im zitierten profil gefordert. Aber der ist ja kein Grüner.

harald.walser - 1. Feb, 14:57

Ich kann dieser Position einiges abgewinnen,

sie deckt sich größtenteils mit meiner. Ein bisschen Dikussion darf aber vor der Beschlussfassung sein: Wir müssen zuerst das Konkordat aus dem Jahr 1933 kündigen, dann muss überlegt werden, wer das Fach Ehik unterrichten soll. Das werden wohl die (weltlichen?) ReligionslehrerInnen sein. Falls nicht, was geschieht mit ihnen?
Teichgräber (Gast) - 1. Feb, 16:39

Märtyrer

Sehr geehrter Herr Dr. Walser,

wenn man gegen die Verehrung von Märtyrern ist, sollte man doch in Österreich erst einmal bei der katholischen Kirche anfangen und den Rücktritt Kardinal Schönborns fordern, weil er Märtyrer wie den heiligen Sebastian, den heiligen Andreas und die heilige Katharina nicht nur als Vorbild darstellt, sondern sogar anbetet. Herr Schakfeh würde niemals einen "Sahid" (richtiger Schahid) sicher nicht anbeten.
Mit freundlichen Grüßen

Stephan Teichgräber

Plumps! (Gast) - 1. Feb, 17:15

Soweit ich mich erinnere...

...war es die Aufgabe christlicher Märtyrer zu sterben, nicht zu töten.
Insofern ist der Vergleich eines mit Handgranaten behengten toten Mannes mit Gewehr mit christlichen Märtyrern eher skurril. Indbesondere noch im Kontext der Selbstmordattentäter, die in der islamischen Welt als Märtyrer verehrt werden.
harald.walser - 1. Feb, 17:56

Sehr geehrter Herr Teichgräber!

Sehen Sie wirklich keinen Unterschied? Die verbrecherischen Selbstmord-Attentate zielen meist auf unschuldige Menschen! So etwas zu unterstützen, ist aus meiner Sicht verbrecherisch.
Prinzipiell ist mir religiöser Fanatismus zuwider, ich halte ihn für ein Grundübel unserer Gesellschaft.
Klaus Bechter (Gast) - 1. Feb, 18:41

Bei den Grünen brennt die Hütte und Dr. Walser arbeitet sich hier seit Tagen am Religionsunterricht ab!

Ich darf in der Causa Voggenhuber zitieren und fühle mich in meiner langjährigen Einschätzung nunmehr auch von der grünen Parteispitze bestätigt, dass die Vorarlberger Grünen (allen voran Dr. Walser und Rauch) ein DEMOKRATIEDEFIZIT haben:
orf.at: "Der Konflikt geht indes weit über Salzburg hinaus: Außerdem stellten sich die Landesparteien von VORARLBERG, Kärnten, Oberösterreich und prominente grüne Bundespolitiker klar auf die Seite Voggenhubers. Sburny sieht bei ihnen DEMOKRATISCHE DEFIZITE."

harald.walser - 1. Feb, 20:11

Sehr geehrter Herr Bechter!

Entschuldigen Sie, dass ich mich als für den Schulbereich bei den Grünen zuständiger Bildungspolitiker zum Thema Religionsunterricht äußere. Wenn ich das nicht getan hätte und nur auf die internen Differenzen eingegangen wäre, hätte es Angriffe anderer Art gegeben: Die Grünen betreiben Nabelschau und beschäftigen sich nur mit sich selbst, statt auf die brennenden sachpolitischen Fragen einzugehen.
Klaus Bechter (Gast) - 1. Feb, 23:53

Sehr geehrter Herr Dr. Walser!

Ihre "Entschuldigung" kann ich leider nur bedingt annehmen, da es mir als basisdemokratisch gesinnter "Linker" zumindest in diesen Tagen (auch an dieser Stelle) wichtiger erschiene, es würde über demokratische Vorgänge innerhalb der Grünen und deren Resonanz/Ignoranz in den grünen Landesparteien diskutiert. "Nabelschau" (die "Sascha" geschickt unterdrückt hat) kann - wenn Sie sachlich bleibt (was bei den Grünen aber aus Erfahrung kaum je der Fall war, auch Sie fürchten sich wohl deshalb davor!) - nämlich durchaus auch eine "reinigende" Wirkung auf die Polithygiene innerhalb einer Partei haben...! Schade, dass Sie diese Diskussion nicht führen wollen!

Gute Nacht für heute und alles Gute jedenfalls!!
Kurt Greussing (Gast) - 2. Feb, 10:08

Auch ich weine dicke Krokodilstränen ...

... zusammen mit den vielen Freunden, die Voggenhuber über Nacht für seine Europa-Politik gefunden hat. Doch halt - was war das eigentlich für eine Europa-Politik? Gut, er ist vehement und wortgewaltig für die Verfassung und (als zweitbeste Lösung) für den Lissabon-Vertrag eingetreten, doch wen außer ein paar prononcierten Pro-Europäern (unter anderen bei den Vorarlberger Grünen) hat das gejuckt?

Die Europa-Politik der Grünen ist insgesamt ein Trauerspiel - mit und ohne Voggenhuber. Denn auch wenn sie nicht auf eine Ebene mit den Europa-Troglodyten von FPBZÖ und den EU-Schmierenkomödianten von SPÖVP zu stellen sind, Lichtgestalten einer wünschenwerten EU-Politik sind sie auch nicht. Denn sie haben vor allem eines nicht geschafft, da nicht einmal versucht: EU-Themen zu Themen der österreichischen Innenpolitik zu machen.

Bei jeglicher EU-Entscheidung sind österreichische Politiker - durch den Ministerrat bzw. die Fachministerräte - mitbeteiligt. Von wem aber wurden und werden sie dafür zur Verantworttung gezogen? Der österreichische Landwirtschaftsminister (und sein EU-Stab) zum Beispiel gehört zu den Hauptakteuren - und damit zu den Hauptverantwortlichen - der unseligen EU-Landwirtschaftspolitik, die wiederum durch ihre Dumping-Exportförderungen die Weltagrarordnung auf das schädlichste beeinflusst -, und kein Schwein regt sich darüber auf. Lediglich Lunacek hat sich kurz zu Wort gemeldet (und ist gleich darauf verstummt), als kürzlich der Vorschlag von Baroso, eine 2008 nicht abgeholte Milliarde aus dem Landwirtschaftsbudget in die Verbesserung der Produktionsgrundlagen armer Bauern, z.B. in Sierra Leone, zu investieren, u.a. von Österreich abgeschmettert wurde. Auch von Voggi habe ich da nichts gehört - er werkt mit hoher Anerkennung in Brüssel, die österreichische Innenpoitik scheint ihn kalt zu lassen.

Doch damit kein Missverständnis entsteht: Wer wegen wiederholter Majestätsbeleidigung von einer Liste gekippt wird, hat schon aus Gründen antimonarchistischer Raison meine Sympathie. Und meine Stimme, wenn er auf einer eigenen Liste kandidieren sollte (was ich begrüßen würde).

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