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27. November 2008

(Teil-)Zentralmatura - ein Fortschritt?

Die "(Teil-)Zentralmatura" an AHS ist derzeit heftig in Diskussion. Ich ersuche daher alle Interessierten, hier mitzudiskutieren und mitzuhelfen, eine klare (grüne) Position zu beziehen. Meine Position schaut so aus:
Prinzipiell ist es zu befürworten, wenn Zeugnisse auch wirklich aussagekräftig sind. Eine "Zentralmatura" bietet die Chance dazu. Die Gefahr sehe ich darin, dass schulische Schwerpunkte nicht mehr so gesetzt werden können, weil ja alle SchülerInnen in allen schriftlichen Fächern ein bestimmtes Niveau aufweisen müssen. Warum soll es nicht möglich sein, am Schluss der 8. Klasse einfach den SchülerInnen ein Zeugnis über ihre jeweilige Sprachkompetenz auszustellen? Das kann ähnlich funktionieren wie beim Cambridge Certificate oder dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen (GERS) des Europarats und macht die Sprachkompetenz der SchülerInnen transparent und vergleichbar - die Skala reicht von A1 (elementare Sprachverwendung) bis C2 (nahezu muttersprachliche Sprachbeherrschung). Ich habe an meiner Schule befürwortet, am Pilotversuch teilzunhemen. Das ist im Sommer auch mit durchaus positiven Ergebnissen über die Bühne gegangen. Sprachen sind aber natürlich nur ein Aspekt bei der geplanten Reform.
Künftig soll die Reifeprüfung aus drei voneinander unabhängigen Modulen bestehen: einer "vorwissenschaftlichen Arbeit" (15-17 Seiten), einer schriftlichen "teilzentralen" Matura und einer mündlichen Prüfung.
Die schriftliche Prüfung besteht aus den Fächern Deutsch, Mathematik, einer lebenden Fremdsprache und einer weiteren Fremdsprache, DG, Chemie, Physik oder Biologie. Korrigiert und beurteilt werden die Arbeiten von den LehrerInnen der Schule nach einem vorgegebenen Korrekturschlüssel.
Für die mündliche Reifeprüfung können zwei Prüfungsgebiete gewählt werden. SchülerInnen ziehen die Fragen aus einem am Schulstandort festgelegten Pool von mindestens 30 Fragen pro Fach. Die Prüfung besteht nur aus der Beantwortung einer Frage, wobei in der Vorbereitungszeit eine Präsentation vorbereitet werden muss.
Die drei Bereiche der Reifeprüfungen sollen voneinander völlig unabhängig sein. Das bedeutet, dass eine negative Beurteilung im schriftlichen Bereich nicht durch eine positive Leistung im mündlichen Bereich kompensiert werden kann. Umgekehrt hindert sie aber auch nicht das Absolvieren der beiden anderen Bereiche: Wer seine vorwissenschaftlich Arbeit verhaut, kann trotzdem zu den Klausuren antreten, negative Klausuren können nach sechs Wochen wiederholt werden, und trotz negativer Klausuren kann man mündlich antreten. Die negativ beurteilten Prüfungsteile müssen aber jeweils nachgeholt werden.
Probleme sehe ich vor allem darin, dass negative schriftliche Arbeiten nicht durch mündliche Leistungen kompensiert werden können (was ja in der Schule möglich ist). Warum soll jemand eine individuelle schriftliche Schwäche nicht mündlich ausgleichen dürfen? Und ist es wirklich überall notwendig, 30 Fragen festzulegen? Das ist in Geschichte und Geographie sicher problemlos möglich, aber in einer "kurzen" (also drei- oder vierjährigen) Fremdsprache? Entweder sind die Fragen dann wohl zu detailliert oder zu ähnlich. Bei den "vorwissenschaftlichen Arbeiten" sehe ich das Problem "Copy-Paste-Taste": Wenn alle SchülerInnen eine Arbeit schreiben müssen, ist die Kontrolle sehr schwierig.
Was meint die geneigte Leserschaft?

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Kommentare
steppenhund - 27. Nov, 15:58

1) Um den Nachteil des mangelnden Ausgleichs (schriftlich verhaut aber gut gebrüllt) zu vermeiden, müsste man ein Gewichtungsschema einbauen, welches die schriftliche Prüfung stark favorisiert. Das würde im Beispiel so aussehen, dass schriftlich 5 und mündlich 1 nicht 3 sondern 4 ergeben.
2) Die Frage nach der Kontrollschwierigkeit sollte sich irgendwann durch entsprechende Überprüfungssoftware lösen lassen. Ich weiß nicht, ob gedacht ist, die Arbeiten handschriftlich verfassen zu lassen;)
3) 30 Fragen zu finden kann schwer sein. Wieso es aber bei Sprachen schwer sein sollte, kann ich nicht nachvollziehen. Da geht es eher darum, dass man vielleicht 240 Fragen benötigt, die man im 8 Jahres-Rhythmus rotieren läßt und daher 8 verschiedene 30er-Gruppen benötigt.

julian (Gast) - 27. Nov, 21:37

meine meinung

die 3 punkte halte ich nicht für praxisnah. meine erfahrungen nach der htl-matura sind folgende:

zu 1) eine mündliche 1 bei der matura ist praktisch trotz hervorragender vorbereitungen nur durch jahrelanges "positives" auffallen im unterricht erreichbar. ein kandidat, welcher schriftlich negativ beurteilt wird, hat diesen sympathie-bonus nicht.

zu 2) wie sollen fächer wie deutsch oder mathematik/physik (bei der der lösungsweg einen großen anteil der punkte ausmacht) computertechnisch ausgewertet werden? meiner erfahrung nach, lassen sich matura-fragen nicht mit einem ergebnis, einem wort oder einem satz beantworten.

zu 3) in englisch hatten wir im matura-jahr 2-3 wochenstunden. in diesen schafften wir es übers jahr verteilt etwa 5 themen (3-schluchten-staudamm, magnetschwebebahnen, transrapid, ..) zu bearbeiten. jedes thema bietet stoff für 3-4 fragen - somit stimmt die annahme, die fragen werden sich zu ähnlich, aus meiner sicht schon. zudem muss man bedenken, dass es durchaus üblich ist, in 5 jahren htl drei verschiedene englisch-professoren zu haben.
Wolfgang Krisch (Gast) - 28. Nov, 16:07

Breitere Diskussion nötig

Ich plädiere dringend dafür, die weit reichende Problematik überhaupt einmal grundsätzlich (auch grünintern) zu diskutieren! Wenn heute Individualisierung und Differenzierung das tatsächlich primäre Gebot der Stunde für Unterricht und Erziehung richtiger Weise darstellt, laufen alle Standardisierungen diesem Grundprinzip zwangsläufig und grundsätzlich diametral entgegen. Wenn Unterricht in dirgistischen Zentralüberprüfungen mündet, die selbst multinational abgeglichen und den jeweiligen Bedürfnissen der sich rasch wechselnden Produktionsvorgaben der Wirtschaft angepasst sind, brennt der Hut lichterloh, wenn man einemhumanistischen und emanzipatorischen Bildungssideal anhängt! Bildung ist kein just-in-time-Konzept für die ökonomische Verwertbarkeit ihres Outputs, - wie das derzeit leider in allen Industriestaaten gern gesehen wird. Und das ist natürlich kein Plädoyer meinerseits gegen den Begriff Leistung!
LG Wolfgang Krisch

-sKy- (Gast) - 2. Dez, 23:59

Zentralmatura vs. Individualität?

Von lehrenden Freunden aus Deutschland, die ja großteils mit Zentralmatura ausgestattet sind, blieb mir aus den langen Diskussion vor allem eine These im Gedächtniss:
"Die Kinder werden durch die Zentralabitur nicht klüger oder dümmer, nicht besser oder schlechter. Nur der Lernstil ändert sich - vom verstehen zum pauken."

Zum Thema "vorwissenschaftliche Arbeit"
An meiner Schule war zur Matura ein sogenanntes "Spezialgebiet" in den mündlichen Fächern nötig. Eine schriftliche Ausarbeitung von ca. 10 Seiten. Es existierten NIRGENDS wissenschaftliche Standards, keine Vorgaben ausser den mindestens 10 Seiten. Im Grunde "Copy & Paste"

Zum Thema "30 Fragen"
Auch in Geschichte und Geographie sind 30 Fragen nicht so "einfach" zu schaffen. Denken sie nur an Schulen mit nur 1 bis 2 Geschichtestunden pro Schuljahr? Das werden dann 30 sehr sehr dünne Fragen.

Armin Soyka (Gast) - 5. Dez, 00:32

Gehts noch!?

Ansich kann eine aussagekräftige Matura, die auf einheitlichem Niveau durchgeführt wurde nur gut sein!

ABER:

Die Idee, so, wie sie momentan steht, kann nicht dazu beitragen, die österreichische Matura international in besseres Licht zu rücken (was laut meinen Informationen das Ziel der Zentralmatura ist). In ihrer momentanen Form sieht die Zentralmatura nicht vor auf Schulschwerpunkte oder ganz einfach Lehrerschwerpunkte Rücksicht zu nehmen. Wenn eine Schule in der Oberstufe 9 Englischwochenstunden hat, ein anderes 11, bekommen beide Schulen die gleiche Tests (oder?). Das kann nur dazu führen, dass der Test auf das niedrigste (also 9 Wochenstunden) ausgelegt ist und damit weder die Qualität hebt noch fairer wird.

Die zentral Matura bringt allen Nachteile! Das beginnt beim Ministerium (welches plötzlich 1. sämtliche Tests vorbereiten und 2. an alle Schulen verteilen muss), geht über die Lehrer (mehr Verbesserungsarbeit, weniger Freude am Unterrichten) und geht (vor allem) bis zu den Schülern, die keine Chance haben die Tests zu bestehen, da keine spezifische Vorbereitung mehr möglich ist (Lehrer kennen das Stoffgebiet nicht). Sie können sich nur mehr schwer vorbereiten und müssen plötzlich Dinge wissen, von denen sie in ihrer gesamten Schullaufbahn noch nichts gehört haben!

Ich als Vertreter meiner 374 (oder so ähnlich) Schüler KANN nur NEIN sagen zu diesem realitätsfernen und verweigernden Programm! Was wir brauchen sind KOMPETENTE Lehrer, die nicht nach 10 Jahren pragmatisiert werden, sondern die regelmäßig Nachweiße darüber zu erbringen haben, ob sie noch eine Ahnung haben von dem was sie Lehren sollten!
Was wir brauchen sind mehr (und nicht wie in dem Regierungsabkommen festgehalten weniger) Autonomie an den Schulen. Der Direktor (und das wissen sie sicher ganz genau als "Pensionierter" AHS-Direktor) muss entscheiden können, welchen Lehrer er behalten möchte und wen nicht!
Was wir brauchen sind Alternativen für Lehrer, die nicht geeignet für ihren Job sind!
Was wir brauchen ist eine ORDENTLICHE Überarbeitung der Lehrpläne (die auch an die "neuen" Stundentafeln angepasst sind und Zeitgerecht sind).
Und wenn das alles erfüllt ist, ja dann! DANN bin ich und jeder einzelne Schüler meiner Schule hellauf begeistert von einer FAIREN (eventuell auch Zentral-) Matura, die belegt, dass der Schüler ein gewisses Wissen erworben hat und "reif" ist. Aber bitte davor beginnen wir damit den Lehrerberuf wieder zu etwas zu machen, das man nicht wird, weil man nichts anderes findet, sondern, weil man 1.) Interesse am Fachgebiet hat, 2.) Umgang mit (manchmal schwierigen) Jugendlichen "liebt" 3.) Padagogisch interessiert ist und 4.) bereit ist (mit VIEL Schweiß und Arbeit) der heutigen Jugend eine Perspektive in einer aussichtslosen Zeit zu geben!

Fazit: Wenn Ihr "alten" jemals eine Pension sehen wollt, dann MUSS Euer oberstes Gebot sein, in Bildung zu Investieren und zwar ENORM! Unser Bildungsystem ist fast 120 Jahre alt, früher war es eines der besten, heute "suckt" es! Lasst uns (Jung und Alt) gemeinsam den mutigen Weg gehen zu erneuern. Das ist was WIR unser Land brauchen / t.

Wolfgang Krisch (Gast) - 5. Dez, 10:33

Lehrer sollen nach 10 Jahren nachweißen!

Ich hoffe, die blöden LehrerInnen, die was nach 10 Jahen was beweisen müssen, erbringen dann Nachweise ohne scharfes ß!
Armin Soyka (Gast) - 5. Dez, 12:45

... die neue Reformation der neuen Rechtschreibung hat mich ein wenig verwirrt! ;-) Deutsch ist sicher nicht meine Stärke und unter umständen gestehe ich auch ein, dass ich mich gestern etwas hinein gesteigert habe, aber ich denke meine Bedenken und vor allem Vorschläge sind berechtigt, aber ich lasse mich gerne von etwas anderem überzeugen
harald.walser - 5. Dez, 16:11

Gar so weit liegen wir ja nicht auseinander,

ein Aspekt ist mir besonders wichtig: Schwerpunkte an Schulstandorten sollen möglich sein. Warum soll man eine Matura an einem Standort mit 14 oder mehr Englisch-Stunden nicht auf dem international anerkannten GERS Niveau C1 oder gar C2 machen, an einem mit bspw. nur 10 Stunden ab auf B!? Das würde aus meiner Sicht zu einem durchaus sinnvollen Wettbwerb unter Schulen führen.
Armin Soyka (Gast) - 5. Dez, 17:46

Die Idee

erscheint mir recht gut! Sie meinen also, dass jede Schule sich selbst überlegen kann, für welches Niveau sie ihre Matura anbietet? Problematisch wird es aber auch hier wieder, wenn Unterschiede (die es immer gibt) zwischen den Lehrern existieren und die nicht das selbe Lehren. Das momentane System lässte dem Lehrer sehr viel Freiraum (vor allem bei der mündlichen, aber auch der schriftlichen Matura) und der wird benötigt, bis "alle" Lehrer in etwa auf einem Level sind. Sonst leiden die Schüler.
harald.walser - 5. Dez, 18:34

Natürlich sind es letztendlich immer die

LehrerInnen, auf die das Niveau einer Schule größtenteils (es gibt auch andere Faktoren) zurückgeführt werden kann. Ein wenig "Markt" könnte dann ja auch hier entstehen und wäre sicher sinnvoll.

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